Als Videosprechstunde wird die Online-Kommunikation in Wort und Bild zwischen Patient und Arzt bezeichnet. Die Teilnehmer treten dabei unabhängig von ihrem Aufenthaltsort mittels Computer, Tablet oder Smartphone miteinander in Kontakt. In Deutschland haben sich die Rahmenbedingungen für Videosprechstunden seit 2017 durch die Lockerung des Arztrechtes und die Aufwertung der Vergütung bei gesetzlich Krankenversicherten verbessert. Für die Besitzer von SmartEKG-Geräten können Videosprechstunden nützlich sein, weil viele der erhobenen EKG-Befunde auf diesem Weg durchaus hinreichend geklärt werden können. Ansonsten aber werden die Vor- und Nachteile dieser recht neuen Errungenschaft der Telemedizin durchaus kontrovers diskutiert.
Das Fernbehandlungsverbot ist Geschichte
Über Jahrzehnte wurde § 7 Abs. 4 der Muster-Berufsordnung für Ärzte verkürzt als „Fernbehandlungsverbot“ bezeichnet, obleich dort lediglich die ausschließliche „individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, … über Print- und Kommunikationsmedien“ untersagt war. Nach langen Debatten hat der Deutsche Ärztetag dieses Verbot im Mai 2018 gelockert. Diese Veränderung ist zwischenzeitlich von den meisten Landesärztekammern in die jeweils verbindlichen Landes-Berufsordnungen übernommen worden. So heißt es beispielsweise in der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen, zuletzt geändert am 27. April 2019, jetzt in § 7 Abs 4:
Ärzte beraten und behandeln Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.
Kritiker der Online-Sprechstunden sorgen sich u. a. um den Datenschutz, um Qualitätsmängel in Folge des fehlenden persönlichen Kontaktes, um zunehmenden wirtschaftlichen Druck durch globalisierte Konkurrenz und um eine Profanisierung des Arzt-Patienten-Kontaktes im Allgemeinen. Nur eines von vielen Beispielen:
Nach der anfangs spielerisch verbrämten Einführung („nur eine zusätzliche Option“) wird sich rasch zeigen, dass Videosprechstunden statt in der Nische bald auch über Callcenter, sogar in Bangalore preiswert angesiedelt, quasi industriell und flächendeckend betrieben werden können.
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Jetzt also ein weiterer Anlauf, im Herzen gesellschaftlicher Daseinsvorsorge medizinische Zuwendung auf Twitter-Niveau einzudampfen. Als mittelbare Folge ist eine Deformierung ärztlicher Standards nach Gusto einer konsumorientierten, digital verführten Spaßgesellschaft abzusehen.
Technik
Auf beiden Seiten wird ein Computer, Tablet oder Smartphone mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher benötigt. Beide Geräte müssen mit dem Internet verbunden sein.
Eine Vergütung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfordert darüber hinaus die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen:
- Die gesamte Kommunikation erfolgt end-zu-end-verschlüsselt auf der Plattform eines zertifizierten Videodienstanbieters, bei der sich der Arzt hat registrieren lassen. Davon gibt es derzeit 20 (Stand 2.2.2020), aktuelle Liste siehe hier.
- Der Patient muss eine Einwilligung abgeben.
- Der Klarname des Patienten muss für den Arzt erkennbar sein.
- Die Videosprechstunde darf von niemandem aufgezeichnet werden.
- Der Arzt prüft die Identität des Versicherten anhand der per Video vorgelegten elektronischen Gesundheitskarte, sofern diese nicht im aktuellen oder vorigen Quartal bereits registriert ist. Dann bestätigt der Patient mündlich das Bestehen des Versicherungsschutzes und der Arzt notiert Krankenkasse, Name, Vorname, Geburtsdatum, Versichertenart, Postleitzahl und Krankenversichertennummer.
Ablauf einer Videosprechstunde
Nach entsprechender Information des Patienten und dessen Einwilligung wird ein Termin für die Sprechstunde vereinbart. Der Patient erhält vom Arzt einen Code, mit dem er sich auf der Webseite des Videodienstanbieters anmeldet. Dieser stellt die Verbindung her und stellt die Verschlüsselung der Daten sicher. Nach dem Verbindungsaufbau übergibt der Videodienstanbieter direkt an die Geräte der Gesprächsteilnehmer, so dass die Daten nur noch zwischen diesen Geräten (p2p-Verbindung) ausgetauscht werden und nicht, wie etwa bei WhatsApp oder Skype, über zentrale Server.